Freitag, 10. Oktober 2014

REZENSION: Zarte Landung

Titel: Zarte Landung
Autorin: Emma Donoghue
Seiten: 424
Verlag: Krug & Schadenberg



Kurzinhalt:
Auf einem Flug von Kanada nach London lernt die 25jährige Jude die exotische Flugbegleiterin Sile kennen.

Beide Frauen könnten unterschiedlicher nicht sein. Es trennen sie nicht nur tausende Kilometer, sondern auch völlig unterschiedliche Leben.

Dennoch verlieben sich beide ineinander.



Meine Meinung:

Wie die beiden Königskinder in dem bekannten Volkslied, können die Protagonistinnen nicht zueinander kommen. Auch hier trennt sie ein tiefes Wasser, doch es sind weniger missgünstige Menschen, die die beiden voneinander fern halten, als der ganz normale Alltag, in den jede involviert ist.

Sile ist als Flugbegleiterin ständig unterwegs und hat für ihr Handy als omnipräsenten Begleiter sogar einen Namen (Gizmo). Jude führt ein kleines Museum in Ontario. Die tiefe Verwurzelung mit der Geschichte ihres kleinen Heimatortes zeigt sich nicht nur in der Tatsache, dass sie im Prinzip noch nie eine Mail geschrieben hat. Die Uhren ticken hier anders als im hippen Dublin.

Kann das funktionieren?

Bis dies beantwortet wird, habe ich während des Lesens mit den beiden gelitten.
Und damit zeigt sich schon eine Stärke der Autorin: die Klaviatur der Gefühle nur mit Worten derart virtuos zu bedienen, dass ich immer wieder mit dem Lesen aufhören musste. Man leidet mit den Protagonistinnen, fühlt die Entfernung zwischen beiden fast schmerzhaft körperlich.

Da werden über tausende Kilometer hinweg werden Briefe getauscht, irgendwann auch Mails geschrieben, Telefonate geführt.
Was zunächst banal, ja fast langatmig wirkt, wirft irgendwann immer lauter die Frage auf:
Reicht das alles, um die Gefühle füreinander wirklich lebendig zu halten?
Oder bedeutet physische Entfernung nicht irgendwann auch tatsächliche Entfernung voneinander?

Und kann es überhaupt Liebe sein, wenn man sich eigentlich fast nie sieht und das eigene Leben im Prinzip allein lebt?

Je mehr das Buch auf diese Fragen zutreibt, umso mehr denkt man darüber nach, ob es für solch eine Entfernung überhaupt eine Lösung geben kann. Denn was beutetet es letztlich für einen Menschen, komplett aus seinem gewohnten Umfeld gerissen zu werden, nicht nur die Stadt, sondern das Land, den Kontinent zu verlassen und damit alles, was einem lieb ist – um zu der einen zu ziehen, die einem lieb ist?

Kann es diese Lösung wirklich geben? Oder wird die titelgebende „Zarte Landung“ damit nicht zum Absturz?



Fazit:
Hier wird die Liebe in allen Facetten gezeigt: dem ersten Kennenlernen, der Sehnsucht, dem Verlangen, dem Schmerz. Und auch den Entscheidungen, die man manchmal treffen muss.
Liebe - herrlich normal, obwohl eigentlich nichts normal ist. Bis die Protagonistinnen ihre eigene Lösung finden.

7 Kommentare:

  1. "Liebe - herrlich normal", das klingt doch mal nach einem schönen und unkitschigen Liebesroman. ;)

    Ich habe das Buch hier auch schon liegen, allerdings auf englisch. Bloß begonnen habe ich damit noch nicht. ;)

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  2. @ Hermia

    Ich fand auch gerade dieses Unaufgeregte super interessant und damit einfach menschlich und nachvollziehbar.

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  3. Das klingt wirklich sehr schön und ich hoffe, es gibt ein gutes Ende (was ja nicht immer "glückliches" bedeuten muss)! :)

    Fernbeziehungen können sehr anstrengend sein und manche Aspekte einer Partnerschaft leiden darunter, aber auf der anderen Seite gibt es auch überraschend viele positive Aspekte. Ich vermisse manchmal diese Momente kurz bevor das Flugzeug landet, während die Schmetterlinge im Bauch flattern ...

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  4. @ Winterkatze

    Uih, hast Du Erfahrungen damit? Ist es bei Euch GUT ausgegangen???

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  5. JED, ich habe mehrfache Erfahrung mit Fernbeziehungen.

    Die erste Fernbeziehung lief total schief inklusive einem "ich trenne mich von dir, weil ich letzte Woche im Urlaub eine Frau kennengelernt und sie gleich geheiratet habe"-Brief, während ich krank und deshalb bei meinen Eltern einquartiert war.

    Die zweite Fernbeziehung endete definitiv gut, wenn man von "enden" sprechen kann, denn mit dem Mann bin ich inzwischen seit 13 Jahren zusammen und seit gut 8 Jahren verheiratet. ;) Und ja, manchmal vermisse ich die Wiedersehensfreude nach einigen Wochen Trennung, auch wenn ich gut ohne die Einsamkeit und die Sehnsucht leben kann.

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  6. Ich kenne von der Autorin ja "Room" und fand ihn toll geschrieben. "Zarte Landung" habe ich auch schon im Blick gehabt, Deine Besprechung bestärkt mich, mir das Buch mal zu besorgen.

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  7. Danke, JED, für die schöne, zum Lesen anregende Besprechung. Und die Idee der lesbischen Königskinder finde ich sehr amüsant :-)
    Herzlichen Gruß, Andrea
    www.krugschadenberg.de

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