Seiten: 335
Verlag: Galiani
Kurzinhalt:
Karen Duve hat 2010 ein Experiment unternommen und einen bewussten Veränderungsprozess ihrer Ernährungsgewohnheiten von der "Ich esse, was in der Tiefkühle ist"- Konsumentin hin zur Bio-Laden-Käuferin, dann zur Vegetarierin, schließlich Veganerin und zum Schluss Frutarierin (das, was Pflanzen nur freiwillig "fallen lassen") durchlaufen.
Ihre Erfahrungen hat sie in „Anständig essen“ verarbeitet.
Alle Ernährungsweisen hat sie jeweils zwei Monate im Selbstversuch getestet, sich dabei auch mit den jeweiligen Einstellungen beschäftigt, sie nach außen vertreten und sich selbst - nach Abschluss der Arbeiten an ihrem Buch- zur überzeugten Vegetarierin entwickelt.
Meine Meinung:
Es gehört wohl zu den Merkwürdigkeiten im Leben, dass es immer erst einen bestimmten Anlass braucht, um Gewohnheiten des Alltags zu hinterfragen. Wer kennt nicht den schnellen Griff in die Tiefkühltruhe, ohne sich wirklich über das Gedanken zu machen, was man da tatsächlich zu sich nimmt.
Das Vertrauen in die Lebensmittelindustrie kann man regelrecht als blind bezeichnen. Gedanken über das Tier, was man isst, dessen Lebensweise und Tod, der dieses Essen erst ermöglicht, werden verdrängt.
Karen Duve beschreibt auf den ersten Seiten ihres Buches, wie sie mal wieder gedankenlos eine „Grillhähnchenpfanne für 2,99“ in den Einkaufskorb packte, was zu Protesten bei ihrer Mitbewohnerin führt. Diese nennt Duve konsequent Jiminy Grille, nach der Figur in Pinoccio, die ebenfalls eine Art gutes Gewissen verkörperte und hier nun auch zum Zünglein an der Waage wird.
Daraufhin begann die Autorin mit ihrem Selbstversuch.
Doch dies ist kein reines Buch über Essgewohnheiten. Es geht weit darüber hinaus.
Karen Duve machte sich während ihres Experimentes vermehrt Gedanken über die uns umgebende Tierwelt. Gedanken etwa über das Leben von Tieren im Zirkus oder was man mit ungewollten Schlangen in einem Teich tut und ob der Wurm im Darmtrakt des Hundes ein höheres Lebensrecht hat als das eigene Haustier.
Dass sie bei all ihren Überlegungen von sich in der „Ich“-Form schreibt, führt dazu, dass man sich beim Lesen automatisch selbst hinterfragt: Wie denke ICH darüber? Würde ICH das genauso tun?
Duve nimmt den Leser mit auf eine Reise durch eine Welt, in der der Mensch nicht nur neben dem Tier lebt, sondern sich auch anmaßt, über deren Leben zu bestimmen.
Einige Sachverhalte kennt man (etwa die Situation der Käfighaltung der Hühner), vieles wusste man irgendwo im Hinterkopf, aber wollte es nicht wahrhaben, nicht wirklich an sich heranlassen. Dank Karen Duve, kann man sich diesem Wissen nun nicht mehr entziehen und schaut automatisch anders auf die Fleischtheke im Laden um die Ecke.
Einige Aspekte überraschen auf unangenehme Art, vieles ist neu und erschreckend, sofern man sich nicht wirklich intensiv mit dem Thema beschäftigt hat. Und wer macht das schon, wenn ein leckeres Steak vor einem liegt und verführerisch duftet?
Karen Duve ist in Konsequenz daraus sogar selbst mit einigen Leuten in einen Hühnerstall eingebrochen und hat Lege-Hennen befreit - die leben heute auf ihrem kleinen Hof in Brandenburg. Erstaunlich, dass man soetwas öffentlich zugeben darf. Gut, dass sie es tut!
Aber auch andere Lebensbereiche, wie etwa das Kaufen von Schuhen (Leder) wurden von ihr völlig neu überdacht.
Es zeugt von der Erzählkunst Karen Duves, dass sie es schafft, das Thema durchaus humorvoll anzupacken, etwa wenn sie beschreibt, wie sie ihre Mutter zur Verzweiflung treibt, da diese ihr gern eine Tupperdose mit Essen mitgeben will, aber nichts mehr findet, was den neuen Ernährungsgewohnheiten ihrer Tochter entspricht.
Oder wie sie als Veganerin Stunden beim Einkauf zubringt, um eine Gummibärchenpackung zu finden, die nicht mit Bienenwachs getrennt wurde. Sich durch sämtliche Zusatzstoffe liest, nur um die Packung dann doch wieder enttäuscht weglegen zu müssen.
Fazit:
Sicher ahnen viele von uns, was mit den Tieren, die allein für unseren Verzehr gezüchtet werden, passiert. Dass Kampfpreise nicht dadurch entstehen, dass Tiere besonders gut behandelt werden und dafür der Bauer halt weniger verdient.
Wirklich ins Bewusstsein rücken sich das aber nur wenige. Selbst wenn man gelegentlich über die Medien mit Massentierhaltungsskandalen konfrontiert wird. Irgendwann rutscht es doch wieder aus dem Bewusstsein wenn man es sich nicht immer wieder bewusst macht.
Sympathisch bleibt Karen Duve auch beim Zuschlagen des Buchdeckels, da sie zugibt, dass sie jetzt zwar vegetarisch lebt, aber nicht ausschließen kann, irgendwann doch mal wieder Fleisch zu essen - um sich dann schlecht zu fühlen und weiter mit dem fleischlosen Leben zu machen. Das ist nur menschlich. Und ehrlich.
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Anständig essen: Ein Selbstversuch
Hey erstmal :)
AntwortenLöschenDu schreibst echt schöne Rezensionen und der Blog gefällt mir sehr gut!
Deswegen möchte ich dir einen Award verleihen, nämlich den "Super Blog Award"!
Liebe Grüße
Anna
(annareinke.blogspot.com)
Vielen Dank, ich freu mich sehr darüber. :o))
AntwortenLöschenSuper, tolle Rezension! Und es freut mich, dass dir das Buch auch so gut gefallen hatte und ich kann dir nur zustimmen. Besonders Duves Ergebnis fand ich wirklich toll und vor allem ehrlich. :)
AntwortenLöschen@ Katha
AntwortenLöschenGanz lieben Dank! Freue mich sehr, wenn anderen meine Rezis gefallen!
LG,
JED