Ich habe mich dazu entschlossen, diese beiden Hörbücher zusammen zu rezensieren, da mich das Hören des einen dazu gebracht hat, zum anderen zu greifen und ich damit beide hintereinander vergleichen konnte.
So gleich das Thema (die DDR) - so unterschiedlich die Herangehensweisen. Insofern haben beide hier nebeneinander ihre Berechtigung, um ein komplettes Bild zu ergeben.
Titel: Zonenkinder
Autorin: Jana Hensel
Länge: 2CDs, 150min.
Sprecherin: Jana Hensel
Kurzinhalt (Verlagstext):
“Ein Bericht aus einem Land, fremder als der Mond” (Elke Heidenreich)
Jana
Hensel war dreizehn, als die Mauer fiel. Von einem Tag auf den anderen
war ihre Kindheit zu Ende. Die vertrauten Dinge des DDR-Alltags
verschwanden gleichsam über Nacht – plötzlich war überall Westen, die
Grenze offen, die Geschichte auch. Eine ganze Generation machte sich
daran, das veränderte Land neu zu erkunden. Jana Hensel erzählt von
ihrem Leben in der Schwebe zwischen Ost und West.
Titel: Meine freie deutsche Jugend
Autorin: Claudia Rusch
Länge: 2CDs, 150min.
Sprecherin: Claudia Rusch
Kurzinhalt (Verlagstext):
So also war das, wenn man in der DDR aufwachsen musste und ohne
rechte Überzeugung Mitglied in den staatstragenden Jugendorganisationen
wurde, weil man einen höheren Schulabschluss machen wollte.
Claudia
Rusch berichtet sehr anschaulich von den Hindernissen, die man in der
DDR zu überwinden hatte, als habe man beim Erwachsenwerden mit sich
selbst nicht ohnehin schon genug zu tun. Und von der Langeweile, die die
begabte Schülerin in den sozialistischen Bildungsanstalten ertragen
musste (freilich: das gab es natürlich auch im Westen!).
Manchen
hätte das verbittert. Nicht so Claudia Rusch, die natürlich auch eine
ganze Menge Glück gehabt hat.
Doch nicht nur aus der Schule plaudert Rusch.
Ebenso unterhaltsam erzählt sie von dem Alltag in der DDR, von der
Jugendweihe, vom schwierigen Verhältnis zur Banane und zu
Schokoladenriegeln aus dem Westen, von der Stasi und deren Spitzeleien,
von dem befreienden Gefühl gerade in dem Moment amtlich erwachsen zu
werden, als der DDR-Spuk endlich ein Ende hat.
Meine Meinung:
Ich war fast 15 als die Mauer fiel und insofern gehöre ich zur berühmten "Dritten Generation Ost", der auch Jana Hensel angehört. Aufgewachsen in einem Land, dass es nicht mehr gibt, wurden wir entlassen in ein Land, das wir nicht kannten.
In vielem, was sie beschreibt, habe ich mich wiedergefunden, an vieles erst durch das Hörbuch wieder erinnert.
Dabei hat mich während des Hören gar nicht mal so sehr der Inhalt angerührt, auf den sie in ihrem Buch "Zonenkinder" zu sprechen kommt (immerhin gab es in der Vergangenheit schon einige solcher literarischen Rückblicke), sondern die Art, wie sie schreibt.
Und im Falle dieses Hörbuches auch selbst liest. Mir gefällt ihre Stimme, ihre unaufgeregte Art, die sich auch in ihren Worten wiederfindet und dadurch vielleicht erst recht Brisanz entwickelt.
Die Verwirrung und Lücken, die mit dem Mauerfall in meiner Generation entstanden sind, ist sicher symptomatisch für unseren weiteren Lebensweg.
Insofern spüre ich ein "Wir", wenn ich Jana Hensel zuhöre und dass sie mantraartig benutzt, auch wenn sicher nicht alles eins zu eins übertragbar auf jeden Jugendlichen in der DDR ist.
Einige Rezensenten hat dieses kollektive "Wir" furchtbar aufgeregt, ich verstehe es als Blick auf ein Land, in dem wir (Ex-DDR-Bürger) nunmal alle geboren sind und letztlich zum "Kollektiv" erzogen worden sind.
Ein Land, das uns geprägt hat und sicher bis heute noch verfolgt, auch wenn nicht jede(r) sein Lebensziel darin sah, an die Ostsee zu reisen oder Jeans zu tragen.
Jedoch kennt jeder von uns mindestens einen, der genauso gedacht hat. Und insofern hat dieses "Wir" schon wieder seine Berechtigung und ist nicht völlig fern jeder Realität.
Unseren Weg mussten wir nach dem Mauerfall alle neu finden - als Indivuum - und wie "wir" uns letztlich assimiliert haben, auch davon schreibt Jana Hensel.
Dennoch brauchte ich nach dem Hören dieses Buches noch etwas anderes, was den Blick auf die DDR komplettiert.
Dieses "andere" fand ich in "Meine freie deutsche Jugend", was mit einem unglaublichen Gespür für Humor auf die DDR zurückblickt.
Diesen konnte man wohl nur an den Tag legen, wenn man im Umkreis von DDR-Bürgerrechtlern aufgewachsen ist. Und obwohl der Großvater in Stasi-Haft verstarb und die Familie permanent beschattet worden ist, hat sie ihre Lücken gefunden. Davon berichtet Rusch recht flapsig.
Keine Frage, Frau Rusch hatte Glück, ihr Lebensweg hätte bei all dem, was sie erlebt und sich "geleistet" hat, durchaus auch ein anderer sein können (denkt man an die Berichte über Torgau oder Sibirien, in denen Menschen für weniger eingesessen haben).
Dennoch zeigt auch dieser Blick auf die DDR, was möglich war, nicht in einem "Wir", aber doch vom Einzelnen und dass ein gewisser Humor in Notzeiten durchaus überlebenswichtig sein kann.
Ein Humor, der bis heute noch nachwirkt und durch das dieses Hörbuch viel Spaß macht.
Fazit:
Unterschiedliche Perspektiven, die sich mit dem Alltag in der DDR aus privater Sicht heraus beschäftigen. Authentisch gelesen von den jeweiligen Autorinnen, haben beide nebeneinander ihre Berechtigung.
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