Sonntag, 9. Oktober 2011

REZENSION: Eine Frau im Westen

Autor:    Agnes-Marie Grisebach
Verlag:   Fischer
Seiten:   308 



Kurzinhalt:
Bei diesem Buch handelt es sich um den Nachfolgeband von "Eine Frau Jahrgang 13: Roman einer unfreiwilligen Emanzipation. (Die Frau in der Gesellschaft) " - den man aber durchaus seperat lesen kann. Es setzt im Jahr 1952 ein und beschreibt die Flucht von Erika und ihren 4 Töchtern aus Mecklenburg nach West-Berlin. Noch sind die Grenzen offen, dennoch erregen soviele Koffer am Bahnhof Aufsehen. Vorsicht ist angebracht.
Die Flucht gelingt, doch das "Abenteuer" geht auf der anderen Seite weiter. Die ehemalige Schauspielerin muss irgendeine Arbeit finden, um sich und ihre 4 Töchter durchzubringen, geht schließlich nach Heidelberg, wird dort als "Lumpengesindel" schief angesehen und für dumm gehalten, da sie den schwäbischen Dialekt zunächst nur schwer versteht. Da sie niemanden auf der Tasche liegen will (und das letztlich auch niemand aus ihrer Verwandtschaft zulässt, denen der "Ostzuwachs" eher unangenehm ist) verdient sie ihr Geld fortan als Hilfsarbeiterin in einer Fabrik.
Bis ins Jahr 1965 kann der Leser ihre Gedanken, Veränderungen und Probleme verfolgen.

Meine Meinung:
Das Buch ist in Briefform verfasst. Es handelt sich dabei um Briefe, die Erika an ihre Freundin Ulla nach West-Berlin schickt, die ebenfalls kurz vor ihr aus der Ostzone geflohen ist. Antworten bekommt der Leser nicht zu sehen, allerdings lässt sich aus dem, was Erika schreibt erahnen, wie der Briefwechsel der beiden Frauen ausah.

Die Briefe beinhalten zunächst vor allem die großen Probleme, die sich vor Erika nach ihrer Flucht auftun und die damit regelrecht vor dem Nichts steht. Die unglaubliche Leistung, die dahinter steckt, sich allein mit 4 Töchtern eine neue Existenz aufzubauen, lässt sich oft nur erahnen und tiefe Bewunderung für die Autorin zurück, die trotz allem Heimweh immer sieht, das sie die richtige Entscheidung getroffen hat.

Dabei gehen die Briefe immer stärker weg von Erinnerungen an die DDR, von Vergleichen zwischen dem Hier und Dort -  hin zu dem, was ihren Alltag zunehmend bestimmt, die Arbeit in der Fabrik, Menschen die sie kennenlernt. Speziell dieser Part ist oft so langatmig und für den Leser schwer nachzuvoellziehen, dass ich mich gefragt habe, ob es sich hierbei um den Abdruck "echter" Briefe handelt (da ein fiktiver Roman auf solche Details möglicherweise eher verzichtet hätte).

Tatsächlich hat die Autorin im ersten Band ihre eigene Geschichte aufgeschrieben auch dieser zweite trägt autobiografische Züge - jedoch hat die Protagonsitin einen anderen Namen und das Buch ist als "Roman" deklariert. Eine wirkliche Erklärung dafür habe ich nicht gefunden.

Es bleibt jedoch festzustellen, dass dieses Buch einen sehr persönlichen Einblick in die Zeit der 50er/60er Jahre zulässt, einer Zeit, die für uns Nachgeborene gar nicht mehr so präsent ist, sein kann. Umso mehr ist es als Verdienst der Autorin anzusehen, die diese Zeit durch ihre Briefe wieder so lebendig werden lässt. Da schlagen sich die Frauen noch als Trümmerfrauen durch und leiden unter den im Krief gebliebenen Männern - oder denen, die völlig verstört zurückkamen.

Interessant auch ihr Blick auf das Weltgeschehen (Mauerbau, Ermordung Kennedys, Raumfahrt), das Bestaunen technischer Errungenschaften (wie etwas einen Fernseher), welche uns heute längst selbstverständlich scheinen.

Fazit:
Sehr persönlicher Einblick in die 50er/60er Jahre. Manchmal vielleicht etwas zu langatmig, aber deswegen nicht weniger lesenwert und beeindruckend.



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