Autor: Mick Schulz
Seiten: 278
Verlag: Gmeiner
Kurzinhalt (Verlagstext):
Das
Kreuzfahrtschiff »MS Mythos« ist auf dem Weg von Kiel nach Norwegen - die
unbewältigte Vergangenheit der Passagiere im Gepäck. An Bord befinden sich der
Verleger Holk Sonntag, der glaubt, schuld am Tod seiner Tochter zu sein,
Guntram Fellner, ehemaliger Soldat der Wehrmacht, der ein finsteres Geheimnis
hat und Rentner Jürgen Wörner, der sicher ist, in einem der Passagiere seinen
Stasi-Peiniger wiedererkannt zu haben. Margo Sebald will sich nur erholen. Doch
als der junge Joan von der Service Crew plötzlich verschwindet, heftet sie sich
an seine Spuren. Die Lage an Bord spitzt sich zu ...
Meine Meinung:
Wer
eine Reise macht, der kann viel erzählen. Neue Orte und Begegnungen mit
Menschen führen zu neuen Erfahrungen und Erinnerungen. Eine Kreuzfahrt ist
dabei etwas Besonderes, da sowohl die besuchten Orte als
auch die Begegnungen mit Menschen oft sehr gedrängt und komprimiert stattfinden.
Tatsächlich
hat die Rezensentin, bevor sie begeistert zu diesem Buch griff, ebenfalls eine
Kreuzfahrt nach Norwegen unternommen und war erfreut, einige Häfen in dieser
Geschichte wiederzufinden.
Mick
Schulz schickt seine Protagnisten jedoch auf eine Kreuzfahrt, auf der die besuchten
Orte nicht im Mittelpunkt stehen, sondern auf der sie mit Betreten des Schiffes vor allem auf ihre eigenen
Gedanken zurückgeworfen sind, die stark von der Vergangenheit überschattet
werden.
Tatsächlich
ist es ein interessanter Kniff des Autors eine Kreuzfahrt für seinen Krimi zu wählen und damit seine Figuren
regelrecht einzuschließen in diesem letztlich begrenzten Gebiet Schiff, das oft
längere Zeit auf See verbringt und auf dem jeder letztlich auf seine Art eingezäunt ist.
Das
allein birgt bereits Sprengstoff, Begegnungen können explosiv werden.
Zumal Mick Schulz' Figuren bereits bei
der Einschiffung im wahrsten Sinne des Wortes schweres Gepäck mit sich herumtragen, wie so nach und nach klar wird.
Ähnlich
wie beim allseits bekannten „Traumschiff“ werden auch in diesem Krimi die Hauptpersonen am Abfahrtshafen in Kiel zunächst
vorgestellt, wobei der Autor den Leser bereits einige Abgründe
erahnen lässt:
Da ist
Margo Sebald, die diese Reise nach einer
überstandenen Krankheit macht.
Das
Verlegerehepaar Holk und Winnie Sonntag, die sich auffällig aus dem Weg gehen.
Der
alte Guntram Fellner, der von seiner Enkelin betreut wird, da er kaum noch
selbst für sich sorgen kann.
Und
Jürgen Wörner, dem die Stasi einst übel mitspielte.
Es wird
deutlich, dass jeder von
ihnen diese Reise aus einem anderen Grund macht - und jeder von ihnen in den Weiten der
norwegischen Fjorde
auf seine eigene Geschichte zurückgeworfen wird. Das, was Mick Schulz sich da
an gelebtem Leben für seine Figuren überlegt hat, ist bereits jede für sich
genommen erschreckend und wirkt beim Leser lange nach.
Der
Autor lässt dafür seine Hauptfiguren wie auf einer Art
Karussel mit ihren
Schicksalen immer wieder
abwechselnd an einem vorbeiziehen. Dies macht er so geschickt, dass man bald nicht mehr darüber
nachdenken muss, von wem gerade die Rede ist, da sich die gewählte Reihenfolge
nie ändert. Auch dann
nicht, wenn sich die Wege des einen auch einmal auf dem Schiff mit denen der
anderen im wahrsten Sinne des Wortes „kreuzen“.
Und
obwohl so nach und nach die
verschiedenen
Schicksale und Vergangenheiten aufgedeckt werden, die Geschichte immer komplexer
wird, gelingt es dem
Autor, den Leser
dabei an Bord zu
halten, ohne dass die Handlungsstränge verwirrend werden.
Je länger die Reise andauert, umso
mehr steuert das Schiff auf einen fulminanten Abschluss hin, mit dem man selbst
als erfahrener Krimileser nicht rechnet.
Fazit:
Ich mag ja Krimis, die auf engem Raum stattfinden (mit ein Grund, warum ich eine bestimmte Sorte britischer Krimis immer wieder lesen kann). Aber ich fürchte, dass mich der Nazi-Hintergrund der Geschichte eher abschreckt. Grundsätzlich bin ich etwas übersättigt, wenn es um Handlungen geht, die sich um das Thema drehen - vielleicht tue ich dem Autor da unrecht, aber es fühlt sich ein bisschen so an, als ob er einen Konflikt in der Vergangenheit gesucht hat, der den Leser mitnimmt und ihn nicht viel Mühe bei Konstruieren des Hintergrunds kostet.
AntwortenLöschen@ Konstanze
LöschenHmhh, der "Nazihintergrund" ist eigentlich kaum im Mittelpunkt, ich fand die DDR-Stasi-Geschichte sehr viel präsenter, aber auch hier gilt: Letztlich hat jede(r) seine/ihre eigene Vergangenheit.
Aber mir geht es wie Dir: abgeschlossene Räume bieten eine ganz besondere Spannung.
LG, JED