Titel: Und auf einmal ist es Liebe
Autorin: Karin
Kallmaker
Seiten: 392
Verlag: Krug & Schadenberg
Kurzinhalt (Verlagstext):
Bei einer Fahrt mit der Achterbahn sitzen sie zufällig
nebeneinander: Laura Izmani und Helen Baynor. Auf dem höchsten Punkt bleibt die
Achterbahn plötzlich stehen. Eine technische Panne. Die Zeit zieht sich. Panik
steigt in Helen auf - sie leidet an Höhenangst. Laura versucht Helen
abzulenken, fragt sie nach ihren Karriereplänen, ihren Zukunftsträumen. Und erzählt
von ihren eigenen. Nach dieser Begegnung schlagen beide Frauen neue Wege ein.
Laura wird eine erfolgreiche Gourmetköchin, Helen jongliert Kinder und Karriere
und brilliert als Schauspielerin am Broadway. Zwanzig Jahre später begegnen sie
einander wieder. Und Laura ist erneut von Helen fasziniert.
Meine Meinung:
Längere Zeit war es ruhig auf dem deutschen Buchmarkt um
Karin Kallmaker, mit der ich einst meinen Einstieg in die lesbische Literatur
fand.
Monochrome Cover mit einem kleinen, fast verschämt wirkenden
schwarz-weißen Bild eines lesbischen Paares aus dem Hause Krug &
Schadenberg zierten fortan meinen Nachttisch und führten mich ein in die
lesbische, leider allzu oft sehr amerikanische Liebe.
Der neue Kallmaker ist nicht nur optisch ein wahrer Neuanfang.
Die komplett genutzte Coverseite wirkt wie ein Augenöffner und das nicht nur
aufgrund der motorisierten Dame, die einem heimeligen Sonnenuntergang
entgegenfährt. Die Farben sind liebevoll gewählt.
Doch wo ist die Beifahrerin, der man denselben Anblick
gönnen möchte?
Eine Frau, die in einem Kallmaker-Roman diesmal allein
unterwegs ist? Oder ist sie möglicherweise auf der Flucht?
Man möchte sofort einsteigen. In diese Geschichte.
Auch inhaltlich hat sich einiges bei der Autorin getan.
Vorbei die Zeiten, da frau die Hauptfiguren am liebsten seitenweise schütteln
wollte, um sie endlich in die Arme der bereits auf Seite 1 Vorherbestimmten zu
schubsen. Zu künstlich wirkten oft die geschaffenen, vermeintlichen Probleme und der Abstand zwischen den Figuren, der eigentlich keiner war.
Auch diesmal beginnt die Geschichte zwar mit einem
ziemlichen Stillstand. Doch dieser ist eher technisch bedingt.
Auf einer Achterbahn bleiben Helen und Laura als junge
Frauen zusammen in schwindelnder Höhe stecken und beginnen miteinander zu
reden, um sich zu beruhigen. In solchen Situationen sagt man wahrscheinlich
eher Dinge, die man normalerweise bei einem ersten Kennenlernen verschwiegen
hätte. Doch so tauschen sie sich aus über ihre Wünsche, Ängste, Pläne. Bis die
Achterbahn wieder anfährt.
Kallmaker erspart der Leserin dankbarerweise diesmal das
„Auf-dem-Boden-Ankommen“, das möglicherweise Verschämt-in-die-Augen-Schauen,
das ganze DANACH - und schubst die Figuren mittels eines 20jährigen Zeitsprungs
in neue Realitäten.
Diesmal sitzen sie nicht nebeneinander, sondern sich
gegenüber. Sind Arbeitgeberin und Bewerberin. Und nur eine weiß noch, wer die
andere ist. Und das soll auch so bleiben. Doch sind sie tatsächlich noch
dieselben?
Tatsächlich haben sie die Achterbahn längst hinter sich
gelassen und auch die Leserin weiß nicht, was sie nun erwartet. Von Liebe ist jedenfalls
(noch lange) keine Rede, auch wenn der Titel dies vielleicht vermuten lässt.
Im Gegenteil, schließlich ist Helen Hetera, Mutter von
Zwillingen und mittlerweile erfolgreicher Broadwaystar. Laura bewirbt sich als
Köchin bei ihr, nachdem sie jahrelang erfolgreich in Großküchen gearbeitet hat.
Doch ihr ist nach Veränderung und diese findet sie auch in
dieser wunderbaren, etwas anderen Familie.
Mit ihren Kochkünsten kocht sich Laura nicht nur sofort in
die Herzen der beiden Pubertierenden, sondern auch in die der Leserin.
Während Helen karrierebedingt viel unterwegs ist. Und
Laura sich in Suzy verliebt.
Damit hatte Karin Kallmaker mich auf ihrer Seite. Denn die
Protagonistinnen treiben aufgrund eines verbindenden Ereignisses in ihrer
Vergangenheit nicht automatisch aufeinander zu, sondern gehen ihre eigenen
Wege. Das Cover hatte nicht zuviel versprochen. Das gefällt und verblüfft.
Die Protagonistinnen wirken dadurch sehr viel
realistischer, tiefgründiger als in Kallmakers vorhergehenden Romanen, nichts
ist vorhersehbar, immer wieder kommt es zu überraschenden Wendungen.
Und zu wohl einer der schönsten Liebesszenen in der
lesbischen Literatur in letzter Zeit.
Fazit:
Ich war warm umhüllt und hätte mir während des
Lesevergnügens nur noch olfaktorische Begleitung gewünscht, aber soweit ist der
Buchmarkt leider noch nicht. All die leckeren Sachen, die dort gekocht wurden,
gaben den Figuren (und damit auch Leserinnen) genug Zeit und Raum zum
Zusammensitzen, wirklichen Kennenlernen und Wohlfühlen.
Der neue Kallmaker hat es auch bei mir bewirkt: „Auf
einmal ist es Liebe“.
Bisher habe ich von Karin Kallmaker schon rezensiert (obwohl ich ALLES von ihr gelesen habe ;):
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