Titel: Die Hölle von Torgau: Wie ich die Heim-Erziehung der DDR überlebte
Autorin: Kerstin Gueffroy
Seiten: 224
Verlag: Orell Füssli
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Kurzinhalt ( Verlagstext):
Sie war jung und aufmüpfig - und das hatte seine Konsequenzen. Das
Schicksal der Kerstin Gueffroy, deren Jugend von Dunkelzelle, Einzelhaft
und Demütigung im geschlossenen Vollzug des Jugendwerkhofs Torgau
geprägt wurde, ist kein völlig Unbekanntes. Ihre Geschichte diente
bereits als historischer Hintergrund in sehr erfolgreichen
Jugendromanen. Selbst in Schulbüchern hat ihr Leben mittlerweile Eingang
gefunden.
Nun erzählt Gueffroy erstmals ihre ganze Geschichte. Wie
sie als eins von vier Kindern bei einer überforderten Mutter aufwuchs,
die sie als Siebenjährige in eine psychiatrische Kinderklinik einweisen
lässt, weil Kerstin immer noch einnässt. Und wie ihre Mutter sie
schließlich mit 14 Jahren einfach dem staatlichen System der Heime und
Jugendwerkhöfe überlässt.
Gueffroys Autobiografie erzählt von der
dunklen Seite der staatlichen Kinder- und Jugendheime der DDR, in denen
auf perfide Weise kindliche und jugendliche Seelen beschädigt wurden,
Erzieher und Erzieherinnen systematisch den Willen der ihnen
anvertrauten Kinder zu brechen suchten und junge Menschen zu Kriminellen
degradiert wurden.
Es ist dies nicht nur die Geschichte einer
eindrucksvollen Frau, der man die Kindheit nahm und die sich dennoch
nicht brechen ließ. Es ist darüber hinaus das beschämende Porträt des
grausamen Erziehungs- und Disziplinierungssystems in den
Spezialkinderheimen und Jugendwerkhöfen der DDR, das im Jugendwerkhof
Torgau - der Margot Honecker direkt unterstellt war - seinen schlimmsten
Ausdruck fand.
Meine Meinung:
Was mich am meisten an diesem Buch beeindruckt hat, ist das Gefühl, dass die Autorin immer noch vieles nicht sagt, weil sie nie wirklich darüber schreiben kann.
Zu tief sitzen die Verwundungen, die ihr schon früh als Kind angetan worden sind, zu gut greifen zum Teil auch Verdrängungsmechanismen.
Tatsächlich macht die "Hölle von Torgau" genau 4 Monate im Leben der Kerstin Gueffroy aus und insofern greift der Titel eigentlich zu kurz.
Was sie beschreibt, ist vor allem die Tatsache, wie schnell man in dem System DDR als scheinbar "defektes" Rädchen zermalmt, zerbrochen und wieder ausgespuckt wurde, um dann irgendwie zu funktionieren.
Die Mutter kommt schon früh nicht mit der Tochter klar, die Bettnässerin ist. Statt Ursachensuche wird nur noch mehr Druck aufgebaut, was zu weiterem Bettnässen führt. Ein Teufelskreis.
Dass sie allein deswegen (?) im Heim landet, ist das eine.
Dass die dortige Kinder"erziehung" und das wenig soziale "Miteinander" der anderen Jugendlichen sie schließlich bis in den Jugendwerkhof nach Torgau führt, ist mehr als nur ein Indiz für ein System, das auf gegenseitiges Misstrauen und Denunziation baute.
Als sie mit 18 entlassen wird, ist die Autorin unfähig, eigene Entscheidungen zu treffen, jedem Menschen gegenüber misstrauisch, aber fügsam. Kein Individuum mehr, die perfekte DDR-Bürgerin.
Das funktioniert genau so lange, bis die Mauer fällt.
Dieses "Danach", das für so viele ein unglaublicher Freudentaumel war, war für mich auch nochmal besonders schwer zu lesen, da deutlich wurde, dass derartige Traumata ein Leben lang nachwirken und ich bin Kerstin Gueffroy dankbar, dass sie dem Leser auch Einblick in diese Phase ihres Lebens gegeben hat und so zeigt, dass Torgau nicht mit der Entlassung endet.
Das Buch ist zudem gefüllt mit zynischen Dokumenten aus den Akten der Autorin, in die sie nach der Wende Einblick nehmen durfte.
Fazit:
Was bleibt, ist völlige Erschütterung über Menschen, die Kindern dies angetan haben und bis heute nicht bestraft worden sind. Dies kann man nicht mehr mit dem Glauben an ein bestimmtes Sytem rechtfertigen.
Und eine unglaubliche Achtung vor all den Kindern und Jugendlichen, die dort nicht völlig zerbrochen sind.
Manchmal hätte ich mir noch mehr Informationen gewünscht, aber ich kann verstehen, warum die Autorin vieles verschweigt oder vergessen möchte.
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