Dienstag, 11. Juni 2013

Interview mit Claudia Breitsprecher




Die Autorin: Claudia Breitsprecher wurde 1964 in Westfalen geboren und studierte zunächst Soziologie, Psychologie und Politik.
Ihre beruflichen Erfahrungen aus der Arbeit mit Menschen, insbesondere ihr Interesse an den Belangen von Frauen fließen in ihre Bücher ein.
Sie schreibt sowohl Sachbücher als auch Romane.
Ihr aktuelles Buch heißt "Auszeit " und erschien 2011 bei Krug & Schadenberg.

Claudia Breitsprecher hat sich die Zeit genommen, meine Fragen zu beantworten, die beim Lesen des obigen Buches entstanden sind. Ganz lieben Dank dafür!

Der Verlag hat die Buchidee an Sie herangetragen. Was waren Ihre ersten Gedanken? Hatten Sie ein persönliches Interesse an dem Thema?

C.B.: Ich war sehr schnell begeistert von der Idee. Lehrerinnen sind natürlich Multiplikatorinnen einer Gesellschaft, und wenn sie dann als Lesben im Fokus stehen mit allen Aspekten, die sich daraus ergeben – Vorbildfunktion, eigene Ängste usw. ... es hat mich sehr interessiert, diese Gespräche zu führen und das sich daraus ergebende Bild anderen vorzustellen.

Welche Gedanken haben Sie sich im Vorfeld zu diesem Thema gemacht? Hatten Sie eine Vorstellung vom Alltag lesbischer Lehrerinnen?

C.B.: Ich habe eine Vorstellung vom Alltag der Lehrerinnen und weiß aus eigener Erfahrung, welche Gedanken, Gefühle, Überlegungen als Lesbe im Berufsalltag eine Rolle spielen. Ich hatte schon eine Ahnung, wie es sein muss, als Lehrerin tagtäglich die Aufmerksamkeit von Kindern, Jugendlichen und Eltern auf sich zu ziehen und nicht zu wissen, ob man als die Person, die man ist, akzeptiert und anerkannt wird. Ich hatte selbst als Schülerin lesbische Lehrerinnen, die unterschiedlich mit ihrer Homosexualität umgegangen sind. 

Wie haben Sie die Lehrerinnen gefunden? War es schwer, gab es auch Ablehnungen auf Interviewanfragen? Wie sahen die dann aus?

C.B.: Die ersten Kontakte habe ich über die GEW gefunden, dann habe ich mich umgehört. Es gibt sehr viele lesbische Lehrerinnen, es war daher möglich, ein großes Spektrum von Lebenssituationen bezüglich Alter, Schulform, Region usw.. in das Buch hineinzubringen. Einzig eine lesbische Lehrerin mit Migrationshintergrund habe ich leider trotz intensiver Suche und Nachfrage auch bei Projekten für MigrantInnen nicht gefunden. Abgesagt hat mir keine, wenn ich mich richtig erinnere. Manche haben Anfragen eben nicht beantwortet. In einem Fall hat eine der Interviewten im letzten Moment vor dem Interview Ängste entwickelt, erkannt zu werden. Sie hat es dann nach einem Gespräch mit mir aber doch gemacht. Das war sicher ein schwieriger Moment für die Betreffende und zeigt, wie heikel es für manche Frauen ist.

Haben Sie die Lehrerinnen frei erzählen lassen oder hatten Sie feste Fragen im Kopf?

C.B.: Ich hatte einen Fragenkatalog als Leitfaden im Gepäck, habe die Lehrerinnen aber innerhalb dieses Rahmens frei erzählen lassen, damit die Interviews lebendiger werden. Es zeigte sich auch in der Regel sehr schnell, wo jede einzelne ihren Schwerpunkt legt – die eine auf den Berufsanfang, andere auf den Kontakt mit den Kindern, mehr Privates, das in die Schule mitgeht, oder eben mehr Schule, die ins Privatleben wirkt. Einige der Frauen waren politisch engagiert. Also, insgesamt habe ich vielfältige Informationen erhalten und sehr Persönliches erfahren dürfen.

Im Vorwort schreiben Sie, dass sie viel anonymisieren mussten – ist das nicht hinsichtlich der Thematik eigentlich mehr als bitter, andererseits eine Verfälschung von Tatsachen?

C.B.: Bitter ist es auf jeden Fall, dass man es anonymisieren musste. Einige der Befragten hätten wohl auch nicht darauf bestanden, aber dann hätte ich nur eine Sichtweise gehört, nämlich die eben jener Lehrerinnen, die komplett geoutet sind. Das hätte ein schiefes Bild ergeben, glaube ich. So habe ich mich dann entschlossen, einheitlich alles zu anonymisieren. Manchmal war es nicht so einfach, das zu tun und den Inhalt des Erzählten im Charakter zu erhalten. Aber ich habe nichts falsch wiedergegeben, das war mir wichtig.


Welchen Eindruck haben Sie nach den Interviews allgemein von der Lage lesbischer Lehrerinnen in Deutschland?

C.B.: Es hat sich viel geändert in den letzten Jahren und Jahrzehnten, das ist klar. Einfach ist es dennoch nicht. Manches ist auch komplizierter geworden. In den 70ern beispielsweise wurden lesbische Lehrerinnen von ihren SchülerInnen als solche nicht erkannt, wenn sie sich nicht outeten (was sie damals in aller Regel wohl eher nicht getan haben). Heute ist den Kindern einfach bewusster, dass es Lesben gibt, und die denken sich ihren Teil. Und die Lehrerinnen stehen vor der Frage, welches Vorbild sie geben, wenn sie sich dann nicht outen. Der Druck bleibt also, er hat sich nur verlagert. Und Akzeptanz ist nicht überall sicher. Trotzdem war es auch interessant, dass alle Befragten mir erzählten, wie sehr das Outing an der Schule für sie befreiend war. Aber dazu brauchen sie vor allem ein solidarisches Kollegium. Das Buch ist – ohne jetzt bloß Werbung zu machen – also eigentlich wirklich eines für alle PädagogInnen, finde ich. Aber typisch: Als es herauskam, erschien eine wunderbare Rezension in der Zeitung „VERDI queer“. In der allgemeinen „VERDI publik“ – nichts. Es wird also immer wieder vermittelt: Es geht die homosexuellen Lehrkräfte an, die anderen nicht.

Wäre es vielleicht noch eine Idee gewesen, auch SchülerInnen und Eltern zu dem Thema zu befragen?

C.B.: Ja, bestimmt. Wir, d.h, die Verlagsfrauen und ich, haben uns darüber unterhalten, was wir wie hineinnehmen. Es sollte bei aller Vielfalt aber auch übersichtlich bleiben und nicht beliebig werden. So sind wir letztlich bei der Sicht der Lehrerinnen geblieben. Man hätte es auch ausdehnen können beispielsweise auf Erzieherinnen. Die Sicht der Kinder kommt ein bisschen in dem Exkurs über die Bildungseinrichtung Kombi mit hinein, wo mir die MitarbeiterInnen erzählt haben, was sie täglich erleben, wenn sie mit den Kindern zum Thema Homosexualität arbeiten. Das Erleben der Eltern ist nur in den Erfahrungen der Lehrerinnen enthalten. Wir wollten vor allem ein Stimmungsbild und den Erfahrungsschatz der Lehrerinnen beleuchten, um gerade den Pädagoginnen etwas an die Hand zu geben, um den eigenen Standort zum Thema zu finden. Mut machen, das sicher auch.

Ich danke Ihnen für die geduldige Beantwortung meiner Fragen und wünsche weiterhin viel Erfolg und weitere wunderbare Buchideen!


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