Freitag, 13. März 2020

REZENSION: Endlich Ben. Transgender - Mein Weg vom Mädchen zum Mann

Titel: Endlich Ben. Transgender - Mein Weg vom Mädchen zum Mann (LINK zu AMAZON)

Autor: Benjamin Melzer (mit Alexandra Brosowski)
Verlag: Eden Books
Seiten: 238


Kurzinhalt (Verlagstext):

Yvonne ist ein echter Wildfang – und gibt sich selbst Jungennamen. Mit »Mädchenkram« kann sie nichts anfangen. In der Pubertät erkennt sie: Sie liebt Mädchen, fühlt sich aber nicht lesbisch. Sie spürt, dass sie im falschen Körper lebt.

Doch es braucht noch weitere fünf Jahre, bis sich Yvonne auf den langen, schmerzvollen Weg der Angleichung begibt. Nach einer Hormonbehandlung und 14 Operationen ist Benjamin »Ben« Melzer in seinem Männerleben angekommen. Sein sportliches Talent setzt er nun als Fitness-Coach und Model ein.

Benjamin Melzer spricht unverblümt über seinen schmerzhaften Weg, misslungene Penis-Prothesen-Operationen, seelische Tiefs und wie er sich wieder an die Oberfläche kämpfte. Mit seiner Geschichte möchte er anderen Betroffenen und Eltern von Transkindern Mut machen.


Meine Meinung:

Äußerlichkeiten sind für Transgender-Menschen oft unheimlich wichtig. Als das Geschlecht "gesehen" und erkannt zu werden, als das man sich auch fühlt, ist von unglaublicher Bedeutung.

Entsprechend geben sich gerade Transgender-Männer gern als besonders männlich (und umgekehrt). Ben macht keinen Hehl daraus, dass er sich in seinem Rollenverständnis als regelrechter Macho sieht.

Einen entsprechend großen Stellenwert bekommen in diesem Buch auch all diese Äußerlichkeiten: Der neue Körper, die Muskeln, die Haare (etwas frustriert muss Ben mit der Hormoneinnahme feststellen: oben weniger, unten dafür mehr. Entsprechend muss auch gleich eine Haartransplantation her.).

Fast mit chirurgischer Genauigkeit wird von ihm in diesem Buch die Geschlechtsangleichung erläutert. Die neue Sexualität erklärt. Mit einer Offenheit, die sicher extrem selten auf dem Buchmarkt ist.

Dass er zudem auch ein männliches Model wird - auch dies darf in seinem Buch nicht vergessen werden zu erwähnen. Inklusive allen Begegnungen, Fotosessions u.ä., was dazu gehört.
Erstaunlich eigentlich, dass keine Bilder abgedruckt wurden.

Und damit wird schon deutlich, was mich beim Lesen extrem gestört hat: Diese extreme Fixierung auf Äußerlichkeiten.

In der Einleitung schreibt Ben, dass er sich in seiner Findungsphase genau solch ein Buch gewünscht hat.
Vielleicht haben mich genau diese einleitenden Sätze auf eine falsche Fährte gelockt.

Gehofft hatte ich, etwas von seinem inneren Kampf zu lesen, von dem langen Weg zur inneren Erkenntnis, was mit ihr/ihm los ist.
Von all dem, was Kinder/Jugendliche, die davon betroffen sind, bewegt. Und die vielleicht genau hier darauf Anworten suchen.

Sie werden sie leider nicht finden.

Wie ist sein eigenes Erleben gewesen, welche Fragen hat er sich gestellt, welche Unsicherheiten gab es?
Gab es in der Schule tatsächlich nie Probleme? Mit anderen Kindern?
Auch darauf findet man kaum eine Antwort in dem Buch. Es scheint, als hätte er viel mit Sport (der in diesem Buch auch großen Raum bekommt) unterdrückt, aber eine wirkliche innere Auseinandersetzung mit sich selbst hat nicht stattgefunden.
Zumindest wird sie hier nicht thematisiert.
Irgendwas war halt anders. Komisch. Aber was genau? Was macht das mit einem Menschen?

Es klingen immer nur wieder die unterschwelligen Probleme mit seinem Vater an, der offenbar viel Freude daran hatte, der Umwelt immer wieder zu erklären, dass der vermeintliche Sohn (den viele "sahen") faktisch eine Tochter ist. Yvonne musste dafür sehr zu ihrem Leidwesen immer wieder ihren Ausweis als "Beweismittel" zücken.

Tatsächlich stellt sich Yvonne nämlich von Kindesbeinen an allen mit einem Jungsnamen vor. Kleider sind tabu. Bis auf den schon erwähnten Vater hat sich da niemand groß dran gestört.

Mit Beginn der Pubertät war Yvonne/Ben mit Mädchen zusammen. Stellt sich da nicht zunächst die Frage, ob sie vielleicht eher lesbisch ist?
Scheinbar nicht.

Zumindest andere, wie ihre Trainerin, haben sich diese Frage gestellt und kommen doch ebenfalls in dem Buch zu Wort.
Wirklich beantwortet wird dies aber nicht. Und hier sind meiner Ansicht nach viele Chancen verschenkt worden, die auch der Mitautorin Brosowski scheinbar nicht aufgefallen sind.

Der abgebildete Weg ist ein äußerer, der Leser wird einfach mitgeschleppt, wirklich nachvollziehen kann man ihn daher aber nur schwer.

Ben schreibt, dass er zudem extrem von der Community für seine Offenheit angefeindet worden ist. Auch hier bleiben viele Fragezeichen zurück.

Wie genau sahen diese aus? Wie geht er damit um? Was fühlt er? Genau dieses FÜHLEN scheint mit der Einnahme männlicher Geschlechtshormone nicht mehr da zu sein. Davon schreibt er auch. Dass er seitdem sehr viel weniger emotional ist. Vielmehr analytisch. So liest sich auch sein Buch und das ist schade.

Dennoch ist es ein Verdienst des Autors, viele Dinge anzusprechen und zu erläutern, die Menchen fremd bleiben, da sie sich mit dem ihnen zugeordneten Geschlecht identifizieren können.


Fazit:

Sehr offenes Buch über den langen Weg einer Geschlechtsangleichung, der leider auf Äußerlichkeiten reduziert bleibt.

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Ahnliche Bücher:

Meine Rezension zu

Balian Buschbaum - Blaue Augen bleiben blau

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