Freitag, 21. April 2017

REZENSION: Rückkehr ins Leben



Autorin:       Clare Ashton
Seiten:         260
Verlag:         Krug & Schadenberg


Kurzinhalt (Verlagstext):
Ein Dorf an der Küste Cornwalls. In dem kleinen Supermarkt folgen ihr die verstohlenen Blicke und das Geflüster der Einheimischen. Deshalb geht Lucy am liebsten gar nicht mehr aus dem Haus.
Sie trauert. Um Jake, ihren Lebensgefährten, der ein Jahr zuvor bei einem Autounfall ums Leben kam.
Doch da ist noch mehr: Neben Trauer und Verlustschmerz nagen Schuldgefühle an Lucy. Doch warum eigentlich? Dass die Bremsen versagt haben, lag schließlich an der Nachlässigkeit der Autowerkstatt…

Daneben wächst Lucys Unbehagen: Bildet sie es sich ein oder wird sie tatsächlich verfolgt? Wer streicht in der Dunkelheit um ihr Cottage herum? Wer hat sich die Stolperfalle auf ihrer Joggingstrecke einfallen lassen? Und was will Jakes Bruder Ben wirklich von ihr?
Die Begegnung mit Karen und ihrem vierjährigen Sohn George, die in das Gutshaus in der Nähe einziehen, lockt Lucy langsam aus ihrer Verschlossenheit hervor. Der kleine George berührt ihr Herz auf ganz eigene Weise, und zwischen den beiden Frauen entsteht eine Freundschaft, aus der mehr werden könnte …


Meine Meinung:
„Rückkehr ins Leben“ beginnt an einem Ort, der zunächst überhaupt nicht geeignet scheint als Ausgangspunkt für einen Neuanfang:
In einem Dorf, das durch seine in sich abgeschlossene Gesellschaft vor allem Beobachtungsraum zu sein scheint, ein regelrechter Käfig aus dem es kein Entkommen gibt, Brennglas für jede Emotion, so sehr man sie auch verstecken mag.

Man fühlt als Leserin automatisch mit Lucy mit, die regelrecht auf der Flucht vor den Blicken und dem Getuschel zu sein scheint – sei es auf ihrem Rad oder laufend durch die wundervolle Landschaft Cornwalls.

Sprachgewaltig beschreibt Clare Ashton den Verlust, die Trauer und den Schmerz, den Lucy seit dem Unfalltod ihres Lebensgefährten Jake dabei stets mit sich trägt und dem sie nicht davonlaufen kann.
Jake manifestiert sich regelrecht als Geist, der Lucy bis in ihr altes Cottage verfolgt, in dem er noch mit ihr „lebt“ und das auch nach einem Jahr ihre innere Verwahrlosung äußerlich widerspiegelt.

Es ist die neue Nachbarin Karen, die Lucy in ihrer Ruhelosigkeit erstmals wieder ein wenig inne halten lässt.

Diese von außen zugezogene Frau, die in ihr eigenes Schicksal verstrickt ist, wird für Lucy zu einer angenehmeren Gesellschaft als die tuschelnden Bewohner des Dorfes, denen keine Bewegung entgeht.

Allein die Beschreibung ihres ersten richtigen Mittagessens seit langem ist symptomatisch für die Sprachgewalt der Autorin, so dass man als Leserin zusammen mit Lucy inne hält und jede Geschmacksknospe mit zu spüren scheint.

Die bildgewaltige Sprache des Buches hat mich von Anfang an gefangen genommen – was für eine Leistung der Übersetzerin Andrea Krug, all diese Poesie und Greifbarkeit der verschiedenen Gefühle auch in deutschen Wörtern zu finden!

Man wünscht Lucy in diesem Augenblick den Fortgang des Genusses, nicht nur auf das Essen beschränkt, die Rückkehr all ihrer Sinne, die sich nur noch auf Trauer und Schuld zu beschränken scheinen – eben die Rückkehr ins Leben.

So wird der kleine Sohn von Karen, George, zum Synonym für Trauerbewältigung mit all seiner kindlichen Freude, für den jeder Tag neu und jede Träne schnell vergessen ist und der auch den etwas tollpatschigen Umgang von Lucy mit ihm schnell verzeiht.

Doch auch wenn der hoffnungsfrohe Titel dies vermuten lässt, so ist die „Rückkehr ins Leben“ genauso steinig und rau, wie die Küste Cornwalls, die so wunderbar passend auf dem Cover dargestellt ist.

Lucy scheint nicht inne halten zu dürfen: sie fühlt sich auf einmal verfolgt und immer wieder passieren Dinge, die dieses Gefühl schmerzhaft Realität werden lassen.

Dabei werden die Verstrickungen des Dorfes, in denen die Trauernde verfangen ist, immer deutlicher. Verantwortlichkeiten für Gefühle, aber auch Geschehnisse, denen man im Prinzip nicht aus dem Weg gehen kann.


Fazit:
Bitte mehr von Clare Ashton!

„Rückkehr ins Leben“ ist keine geradlinige Geschichte, deren Ende vorausschaubar ist. Vielmehr führt sie überraschend – auch real innerhalb des Dorfes – in eine Sackgasse, aus der es zunächst keinen Ausweg zu geben scheint.
Man leidet und liebt mit der Protagonistin atemlos bis zum Schluss.

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